14.11.2024 | 2024, Frauen und Gesellschaft
Der „Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe“ (SHARE) kommt zu folgendem Ergebnis: „25 Prozent der Pflegenden in Deutschland versorgen ihre Angehörigen auf Distanzen von über 25 Kilometern, 14 Prozent legen sogar 100 Kilometer oder mehr für die Versorgung zurück.“ Die Zahlen hätten zudem gezeigt, dass „unabhängig von den Distanzen, die große zeitliche, logistische und psychische Herausforderungen mit sich bringen, überwiegend Frauen (60 – 64 Prozent) die Pflegearbeit verrichten“. „Die größeren Distanzen verstärken die Mehrfachbelastung von Frauen durch Arbeit und Pflege, schrumpfen ihr Zeitbudget und kosten mehr Geld“, lautet das Resümee des Surveys.
Seit Jahren beobachten die dbb frauen, laut ihrer Vorsitzenden Milanie Kreutz, „dass Frauen für die Pflege von Angehörigen häufiger in Teilzeit gehen oder ihre Arbeit niederlegen als Männer“. Durch den reduzierten oder fehlenden Erwerb sänken im Rentenalter die Rentenansprüche und die Gefahr für Altersarmut steige. Kreutz fordert daher ein Umdenken seitens der Gesellschaft und der Arbeitgebenden. „Wir müssen Geschlechterrollen hinterfragen und die Verteilung von Sorgearbeit umgestalten. Frauen muss es möglich sein, ihre Karrieren ohne unnötige Hindernisse zu verfolgen und gleichzeitig ein Gleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben zu finden. Es braucht bessere Rahmenbedingungen für pflegende Angehörige. Das zeigen uns die hunderten Kilometer, die viele Angehörige mittlerweile auf sich nehmen, um ihre Liebsten zu pflegen.“
Quelle: fpd 865
23.10.2024 | 2024, Frauen und Gesellschaft
Eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, die unter der Überschrift „Alles beim Alten“ im Policy-Brief Nr. 83 des Instituts veröffentlicht wurde, kommt zu folgendem Ergebnis: „Obwohl beide Geschlechter sich eine ausgeglichenere Aufteilung wünschen, leisten erwerbstätige Frauen, auch wenn sie Vollzeit berufstätig sind oder keine Kinder im Haushalt leben, deutlich mehr Sorgearbeit als Männer.“ Demnach arbeiten erwerbstätige Frauen pro Woche 54 Stunden, davon 28 Stunden in bezahlter Tätigkeit und durchschnittlich 26 Stunden unbezahlt. Im Vergleich dazu arbeiten erwerbstätige Männer mit 53 Stunden insgesamt zwar nur eine Stunde weniger pro Woche, davon aber nur rund 8 Stunden unbezahlt. Am größten sei der Unterschied bei der Aufteilung der unbezahlten Arbeit mit 15 Stunden, wenn Kinder unter 6 Jahren im Haushalt leben. Auch bei der Pflege von Angehörigen klaffe die Lücke. Mehr als ein Drittel der erwerbstätigen Frauen, aber nur knapp 28 Prozent der erwerbstätigen Männer pflegen demnach über 10 Stunden pro Woche.
„Die Einführung einer Familienarbeitszeit, die Verlängerung der Partnermonate beim Elterngeld und die Verbesserung der institutionellen Kinderbetreuung könnten dazu beitragen, die Verteilung der Erwerbsarbeitszeiten zwischen Frauen und Männern anzugleichen“, meint Dr. Yvonne Lott, Autorin der Studie, die auf einer Sonderauswertung der Zeitverwendungserhebung 2022 basiert, für die erwerbstätige Personen von 18 bis 64 Jahren befragt wurden. Wegen des hohen wöchentlichen Zeitaufwands für Pflege, der überwiegend von Frauen getragen werde, seien zudem Lohnersatzleistungen für Pflegezeiten relevant. Eine verkürzte Vollzeitarbeit, wie die 4-Tage-Woche, schaffe Paaren mehr Freiraum, unbezahlte Arbeit gerechter zu verteilen und Frauen längere Erwerbsarbeitszeiten zu ermöglichen.
Quelle: fpd 863, www.wsi.de/de/faust-detail.htm?produkt=HBS-008938
23.10.2024 | 2024, Frauen und Gesellschaft
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) meldet zum Tag der Deutschen Einheit: „Abgehängter Osten? Das war mal! 34 Jahre nach der Wiedervereinigung haben die neuen Bundesländer sich als Wirtschaftsstandort etabliert – und den Westen in manchen Dingen übertrumpft“. Zu den Bereichen, in welchen es im Osten besonders gut laufe, gehöre u. a. die Frauenerwerbstätigkeitsquote, die „ein entscheidender Faktor im Kampf gegen den Fachkräftemangel“ sei. Hierzu heißt es vom IW wörtlich: „Der Osten macht es vor: Dort sind zwischen 74 und 76 Prozent der Frauen erwerbstätig. Spitzenreiter unter den fünf ostdeutschen Bundesländern ist Sachsen mit 76,3 Prozent. Zum Vergleich: In NRW sind es 70 Prozent. Bundesweit betrachtet ist nur in Bayern die Frauenerwerbsquote noch höher.“ Auch bei den Kitaplätzen schneide Ostdeutschland besser ab. Laut dem IW „besuchen im Osten 55,2 Prozent der unter Dreijährigen eine institutionelle Betreuung; in Westdeutschland dagegen nur 33,9 Prozent“.
Wo der Osten zudem „besonders punktet“: www.iwkoeln.de/presse/iw-nachrichten.html
Quelle: fpd 863
16.10.2024 | 2024, Frauen und Gesellschaft, Frauen und Politik
Die Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Margreth Lünenborg, FU Berlin, erklärte gegenüber ZDF heute, dass der in den USA verbreitete „Tradwife“-Trend, bei dem junge Frauen in Sozialen Netzwerken ein traditionelles Frauenbild propagieren, „gefährlich“ sein könne. Laut der Videos der US-Amerikanerinnen stehe im Zentrum deren Lebens „das Kochen und Backen“. Außerdem gäben sie Tipps fürs Eheleben und hielten sich fast ausschließlich in ihren Häusern auf. Ihre Männer seien dagegen „diejenigen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen“. Hinter den vermeintlich unpolitischen Darstellungen vermutet die Wissenschaftlerin „ein tief verwurzeltes, politisches Weltbild, das rassistische und diskriminierende Elemente enthält“. (Fast) alle „Tradwives“ seien „weiß“, kämen „aus christlich-fundamentalistischen Kreisen“, propagierten „ein traditionelles Geschlechter- und Familienbild“ und vermittelten, „dass die Erwerbsarbeit des Mannes“ ausreiche, „um die Familie zu ernähren“. Dieser Lebensstil „verstärke ein elitäres Bild“, ordne Frauen „klar dem Mann unter“ und richte sich „gegen jegliche gesellschaftlichen Veränderungen, ohne Platz für Familienbilder, wie Regenbogenfamilien, Familien ohne Kinder oder für schlechter Verdienende“, urteilt Lünenborg.
Variationen des „Tradwife“-Trends auch in Deutschland
Variationen des „Tradwife“-Trends seien auch bei Mitgliedern der Identitären Bewegung in Deutschland zu beobachten. Wenngleich dort die Frauen nicht als „Muttchen mit geblümten Kostümen“ aufträten, ginge es auch um „ein Geschlechterarrangement mit klarer Dominanz und Unterordnung“. Die Frauen nähmen für sich in Anspruch, feministisch zu sein – sogenannter „choice feminism“ – „Wahl-Feminismus“. Doch die vermeintlich freie Wahl der Frauen für diesen Lebensentwurf führe in der Konsequenz „zu vollständiger Abhängigkeit vom Mann und im Rentenalter durch die Erwerbslosigkeit zu Altersarmut“, so Lünenborg.
Quelle: fpd 863, www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/tradwife-bewegung-trend-tiktok-100.html
Podcast zum Thema
„Kinder, Küche, Klamotten – Wofür steht die Tradwives-Bewegung“, Diskussion im Rahmen des SWR Kulturforums, u. a. mit Prof. Dr. Margreth Lünenborg, FU Berlin, zu hören unter: www.swr.de/swrkultur/leben-und-gesellschaft/kinder-kueche-klamotten-wofuer-steht-die-tradwives-bewegung-forum-2024-08-15-100.html
16.10.2024 | 2024, Frauen in Wirtschaft und dem Öffentlichen Dienst, Frauen und Gesellschaft
„Der Frauenanteil in der deutschen IT-Branche liegt bei gerade mal 30 Prozent. Ein technisches Studium wird laut Statistischem Bundesamt von nur etwa 32 Prozent Frauen absolviert. Im Informatik-Studium sind es noch weniger: 21 Prozent. Ein Defizit, das über die Geschlechterdebatte hinausgeht und spürbare Auswirkungen auf unsere gesamte Gesellschaft hat. Wenn nur eine Gruppe von Menschen technische Innovationen vorantreibt, wird die zukünftige Technik vorrangig nur eine Gruppe abbilden können“, heißt es vom Hasso-Plattner-Institut, das aus den genannten Gründen bei einer empowerHER+-Konferenz am 14. und 15. November 2024 unter der Überschrift des Zitates einer Studentin: „Ein Raum voller Informatikerinnen. Das kenne ich aus dem Alltag nicht“, Tech-Themen und Diversität beleuchten will.
Kosten und weitere Informationen: https://hpi.de/empowerher-konferenz/
Quelle: fpd 863
9.10.2024 | 2024, Frauen in Wirtschaft und dem Öffentlichen Dienst, Frauen und Gesellschaft, Frauen und Politik
Ein aktueller Vergleich der Beschäftigungsquoten ukrainischer Geflüchteter in 26 europäischen Ländern, des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) kommt zu folgendem Ergebnis: Ein wesentlicher Faktor, der die Arbeitsmarktchancen geflüchteter Frauen beeinflusst, ist die Infrastruktur für Kinderbetreuung. Insgesamt sei festgestellt worden, dass Deutschland Anfang 2024 mit einer Beschäftigungsquote ukrainischer Geflüchteter von 27 Prozent im europäischen Mittelfeld liege. Vor dem Hintergrund, dass die meisten Geflüchteten aus der Ukraine Frauen und viele von ihnen Mütter sind, die häufig minderjährige Kinder haben und in den Aufnahmeländern als Alleinerziehende leben, falle auf, dass in Ländern mit einer besser ausgebauten Kinderbetreuungsinfrastruktur, wie etwa in Dänemark oder in den Niederlanden, die Beschäftigungsquoten höher sind als in Deutschland, das weiter auf „Sprache zuerst“ setze. Der Vergleich zeige, dass eine gut entwickelte Kinderbetreuungsinfrastruktur, Geflüchteten mit Kindern ermögliche, die Betreuungszeiten bspw. für Weiterbildung und intensivierte Jobsuche zu nutzen oder Berufstätigkeit und Familienpflichten zu vereinbaren. Diese Beobachtung unterstreiche die Notwendigkeit für Investitionen in die Kinderbetreuungsinfrastruktur als strategischen Ansatz zur Steigerung der Arbeitsmarktintegration und zur Verbesserung der sozialen Integration der Neuankömmlinge, so die Expert*innen des IAB.
Quelle: fpd 862, https://doku.iab.de/forschungsbericht/2024/fb1624.pdf