16.10.2024 | 2024, Frauen und Gesellschaft, Frauen und Politik
Die Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Margreth Lünenborg, FU Berlin, erklärte gegenüber ZDF heute, dass der in den USA verbreitete „Tradwife“-Trend, bei dem junge Frauen in Sozialen Netzwerken ein traditionelles Frauenbild propagieren, „gefährlich“ sein könne. Laut der Videos der US-Amerikanerinnen stehe im Zentrum deren Lebens „das Kochen und Backen“. Außerdem gäben sie Tipps fürs Eheleben und hielten sich fast ausschließlich in ihren Häusern auf. Ihre Männer seien dagegen „diejenigen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen“. Hinter den vermeintlich unpolitischen Darstellungen vermutet die Wissenschaftlerin „ein tief verwurzeltes, politisches Weltbild, das rassistische und diskriminierende Elemente enthält“. (Fast) alle „Tradwives“ seien „weiß“, kämen „aus christlich-fundamentalistischen Kreisen“, propagierten „ein traditionelles Geschlechter- und Familienbild“ und vermittelten, „dass die Erwerbsarbeit des Mannes“ ausreiche, „um die Familie zu ernähren“. Dieser Lebensstil „verstärke ein elitäres Bild“, ordne Frauen „klar dem Mann unter“ und richte sich „gegen jegliche gesellschaftlichen Veränderungen, ohne Platz für Familienbilder, wie Regenbogenfamilien, Familien ohne Kinder oder für schlechter Verdienende“, urteilt Lünenborg.
Variationen des „Tradwife“-Trends auch in Deutschland
Variationen des „Tradwife“-Trends seien auch bei Mitgliedern der Identitären Bewegung in Deutschland zu beobachten. Wenngleich dort die Frauen nicht als „Muttchen mit geblümten Kostümen“ aufträten, ginge es auch um „ein Geschlechterarrangement mit klarer Dominanz und Unterordnung“. Die Frauen nähmen für sich in Anspruch, feministisch zu sein – sogenannter „choice feminism“ – „Wahl-Feminismus“. Doch die vermeintlich freie Wahl der Frauen für diesen Lebensentwurf führe in der Konsequenz „zu vollständiger Abhängigkeit vom Mann und im Rentenalter durch die Erwerbslosigkeit zu Altersarmut“, so Lünenborg.
Quelle: fpd 863, www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/tradwife-bewegung-trend-tiktok-100.html
Podcast zum Thema
„Kinder, Küche, Klamotten – Wofür steht die Tradwives-Bewegung“, Diskussion im Rahmen des SWR Kulturforums, u. a. mit Prof. Dr. Margreth Lünenborg, FU Berlin, zu hören unter: www.swr.de/swrkultur/leben-und-gesellschaft/kinder-kueche-klamotten-wofuer-steht-die-tradwives-bewegung-forum-2024-08-15-100.html
9.10.2024 | 2024, Frauen in Wirtschaft und dem Öffentlichen Dienst, Frauen und Gesellschaft, Frauen und Politik
Ein aktueller Vergleich der Beschäftigungsquoten ukrainischer Geflüchteter in 26 europäischen Ländern, des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) kommt zu folgendem Ergebnis: Ein wesentlicher Faktor, der die Arbeitsmarktchancen geflüchteter Frauen beeinflusst, ist die Infrastruktur für Kinderbetreuung. Insgesamt sei festgestellt worden, dass Deutschland Anfang 2024 mit einer Beschäftigungsquote ukrainischer Geflüchteter von 27 Prozent im europäischen Mittelfeld liege. Vor dem Hintergrund, dass die meisten Geflüchteten aus der Ukraine Frauen und viele von ihnen Mütter sind, die häufig minderjährige Kinder haben und in den Aufnahmeländern als Alleinerziehende leben, falle auf, dass in Ländern mit einer besser ausgebauten Kinderbetreuungsinfrastruktur, wie etwa in Dänemark oder in den Niederlanden, die Beschäftigungsquoten höher sind als in Deutschland, das weiter auf „Sprache zuerst“ setze. Der Vergleich zeige, dass eine gut entwickelte Kinderbetreuungsinfrastruktur, Geflüchteten mit Kindern ermögliche, die Betreuungszeiten bspw. für Weiterbildung und intensivierte Jobsuche zu nutzen oder Berufstätigkeit und Familienpflichten zu vereinbaren. Diese Beobachtung unterstreiche die Notwendigkeit für Investitionen in die Kinderbetreuungsinfrastruktur als strategischen Ansatz zur Steigerung der Arbeitsmarktintegration und zur Verbesserung der sozialen Integration der Neuankömmlinge, so die Expert*innen des IAB.
Quelle: fpd 862, https://doku.iab.de/forschungsbericht/2024/fb1624.pdf
21.08.2024 | 2024, Frauen und Gesellschaft, Frauen und Politik
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kommt in einem Kurzgutachten im Rahmen ihrer Schriftenreihe „Standpunkte“ zu folgender Einschätzung: „Wird ein inklusiver und geschlechtergerechter Umgang mit Sprache durch den Staat verboten, ist das verfassungsrechtlich problematisch.“ Es bestehe insbesondere die Gefahr, „dass staatliche Einrichtungen verpflichtet werden, das Geschlechtsdiskriminierungsverbot (Art. 3 GG) sowie allgemeine Persönlichkeitsrechte (Art. 2 I mit Art. 1 I GG) von Frauen, intergeschlechtlichen sowie nicht-binären Menschen zu verletzen“. Genderverbote stünden zudem „im Widerspruch zur Rechtslage in der Privatwirtschaft und den Wertungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)“. Dazu erklärte die Unabhängige Beauftragte für Antidiskriminierung des Bundes, Ferda Ataman: „Menschen zu verbieten, inklusive Sprache zu verwenden, ist ein Rückschritt ins letzte Jahrhundert. Der Staat sollte Respekt und Toleranz fördern, nicht verbieten. Er hat nicht das Recht, sich in das Persönlichkeitsrecht der Bürger*innen einzumischen. Die sogenannten Genderverbote sind verfassungsrechtlich problematisch und dienen einem Kulturkampf auf dem Rücken von Minderheiten.“ Zudem gebe es einen angeblichen „Genderzwang“, gegen den sich Verbote auf Länderebene richten, überhaupt nicht. „Das ist eine Scheindebatte“, meint Ataman.
Quelle: fpd 859, www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Standpunkte/05_genderverbot.pdf?__blob=publicationFile&v=5
25.07.2024 | 2024, Frauen und Gesellschaft, Frauen und Politik, Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Die Konferenz der Gleichstellungsministerinnen und -minister der Länder (GFMK), hat sich im Rahmen ihrer Hauptversammlung 2024, am 13. und 14. Juni in Ludwigsburg, getroffen.
GFMK beschließt: „Schwangerschaftsabbrüche in der Frühphase legalisieren“
Die GFMK hat sich mehrheitlich dafür ausgesprochen, „Schwangerschaftsabbrüche in der Frühphase zu legalisieren“. In dem Beschluss fordert die GFMK Bundestag und Bundesregierung auf, in einem ersten Schritt einen Regelungskatalog und Regelungsvorschläge für eine Fristenlösung für die ersten zwölf Wochen, außerhalb des Strafrechts, vorzulegen. Befürwortet werde in dem Zusammenhang, im Einklang mit den aktuellen Empfehlungen des UN-Frauenausschusses gegenüber Deutschland, anlässlich des 9. CEDAW-Staatenberichts, anstelle der vorgeschriebenen Pflichtberatung das Recht auf eine freiwillige und kostenfreie Beratung im Schwangerschaftskonflikt einzurichten. Zudem müsse, im Einklang mit dem Bericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin, der bestehende umfassende und finanziell abgesicherte Rechtsanspruch auf Schwangeren-, Familienplanungs- und Sexualberatung beibehalten werden. Die Kostenregelung des Schwangerschaftsabbruchs sei entsprechend neu zu treffen, so die GFMK.
GFMK beschließt einstimmig den Beitritt zum Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“
Die Konferenz hat sich ebenfalls einstimmig für einen Beitritt zum Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“ ausgesprochen. Mit dem Beitritt untermauere die GFMK „ihr intensives Engagement gegen jegliche Formen von Sexismus“, heißt es von der Staatssekretärin im Niedersächsischen Gleichstellungsministerium, Christine Arbogast. Arbogast wörtlich: „Immer noch werden viele Menschen im Laufe ihres Lebens mit Sexismus oder sexualisierter Gewalt konfrontiert. Das dürfen und wollen wir so nicht hinnehmen. Ich freue mich sehr darüber, dass heute alle 16 Länder einem Beitritt der GFMK in das Bündnis zugestimmt haben. Mit diesem leider immer noch notwendigen Schritt zeigen wir, dass wir nicht einfach nur tatenlos zusehen werden. Für eine effektive Bekämpfung bedarf es eines breiten Zusammenschlusses aus allen gesellschaftlichen Bereichen, weil es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, jeder Form von Sexismus entgegenzutreten. Dazu bekennen wir uns in aller Deutlichkeit und setzen uns in den Bundesländern für notwendige Maßnahmen ein, um Sexismus zu verhindern und zu beenden, aber auch Betroffene zu unterstützen.“
Alle Beschlüsse der 34. GFMK, unter Vorsitz Baden-Württembergs: https://www.gleichstellungsministerkonferenz.de/documents/beschluesse-und-entschliessungen-der-34-gfmk_extern_2_1720522746.pdf
Quelle: fpd 856
26.06.2024 | 2024, Frauen und Gesellschaft, Frauen und Politik, Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Die Friedrich-Naumann-Stiftung „Für die Freiheit“, die die Wahlprogramme ausgewählter rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien in Europa analysiert hat, meldete: „In den rechtspopulistischen Parteien Europas werden als Frauen diejenigen verstanden, die heterosexuell sind, in einer Ehe mit einem Mann leben und keinen Migrationshintergrund haben. Frauen werden besonders dann als Frauen betrachtet, wenn sie Schwangerschaftsabbrüche ablehnen und viele Kinder gebären wollen“. Untersucht worden sei, wie die Parteien, u. a. die AfD Deutschland, „Gleichstellung und geschlechtsspezifische Themen bewerten, in Zukunft fördern oder gar gezielt einschränken wollen“. Das Familienbild der Parteien sei „traditionell, heteronormativ“ und zeichne sich „alleinig durch eine Ehe zwischen Mann und Frau aus“. Eine Ausnahme sei die französische Partei „Rassemblement National“, die auch alleinerziehende Mütter fördern wolle.
Zum EU-Wahlprogramm der AfD lautet die Analyse der Stiftung: „Die AfD schreibt in ihrem Europawahlprogramm, dass sie Chancengleichheit für Frauen und Männer anstrebt und die gesellschaftliche Ungleichbehandlung von Männern und Frauen nicht toleriert. Als Untermauerung wird eine Ablehnung von Kinder-, Viel- und Zwangsehen, und auch von Genitalverstümmelung und Vollverschleierung genannt. Die Vollverschleierung soll nach französischem Vorbild im öffentlichen Raum verboten werden. Nach Interpretation der AfD zerstören EU- und UN-Institutionen die europäische Vielfalt von Traditionen, Sprachen und Regionen durch die Förderung von Inklusion, Chancengleichheit, Diversität und Geschlechtergerechtigkeit. Die AfD kritisiert die EU-Förderung von Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit und zeigt damit, dass sie nicht für eine volle Umsetzung von Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen einsteht. Vielmehr sollen Frauen in traditionelle Rollen zurückgedrängt werden.“
Quelle: fpd 854, www.freiheit.org/de/deutschland/frauenbild-und-frauenrechte-eine-analyse-von-rechtspopulistischen-parteiprogrammen-vor
2.05.2024 | 2024, Frauen und Gesellschaft, Frauen und Politik, Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Von der „Meldestelle Antifeminismus“ der Amadeu Antonio-Stiftung, die ein Jahr nachdem sie ihre Arbeit aufgenommen hat ein erstes Lagebild veröffentlichte, heißt es: „Kaum ein anderes gesellschaftspolitisches Feld wird derart massiv, aber gleichzeitig unbemerkt angegriffen, wie die Gleichstellungs-, Geschlechter- und Familienpolitik.“ Demnach sind „814 der eingegangenen Meldungen als valider Vorfall bzw. verifizierte Betroffenen-Meldung dokumentiert worden. Gemeldet wurden Gewalt, Bedrohungen, Beleidigungen, aber auch Sachbeschädigungen, sowie Benachteiligung und antifeministische Mobilisierung. 372 der Meldungen wurden als ‚antifeministischer Vorfall‘ eingeordnet“. Frauenfeindliche, misogyne oder sexistische Botschaften (167) und Angriffe auf geschlechtliche und sexuelle Vielfalt (149) seien dabei mit Abstand die häufigsten Inhalte der als antifeministisch eingeordneten Vorfälle, so die, im Rahmen des Projekts „Antifeminismus begegnen – Demokratie stärken“, vom Bundesfrauenministerium geförderten Stelle. „Die Verbreitung und die Auswirkungen antifeministisch motivierter Angriffe werden dramatisch unterschätzt und kleingeredet. Wir haben erst begonnen, das Dunkelfeld zu erhellen. Schon jetzt zeigt sich, wie über Antifeminismus politisch Engagierte und Organisationen eingeschüchtert und bedroht werden, aber auch digitale, verbale und körperliche Angriffe erleben“, erklärte dazu Judith Rahner von der Stiftung. „Wenn sich Frauen und queere Menschen aus Politik, Journalismus und Aktivismus wegen der Angriffe aus der Öffentlichkeit zurückziehen, müssen wir von einer handfesten Bedrohung für Demokratie und gesellschaftliche Teilhabe sprechen. Politik und Sicherheitsbehörden sind jetzt gefragt, den Schutz von Lokalpolitiker*innen, Engagierten und auch Gleichstellungsbeauftragten zu gewährleisten.“
Quelle: fpd 852