„Gleichberechtigte Teilhabe für Frauen und mehr Schutz vor Gewalt gegen Frauen“
Die gleichberechtigte politische und wirtschaftliche Teilhabe von Frauen und mehr Schutz vor Gewalt gegen Frauen waren die zentralen Themen der 33. Gleichstellungs- und Frauenminister*innenkonferenz (GFMK) der Länder, die im Juni unter Leitung der Brandenburger Frauen- und Gleichstellungsministerin Ursula Nonnemacher in Potsdam stattfand. Zum Thema Gleichstellung hatte die GFMK-Vorsitzende schon zum Auftakt der Konferenz erklärt: „Wenn Frauen bei wichtigen Entscheidungen und Abstimmungen weiterhin so unterrepräsentiert sind, werden ihre Stimmen und Perspektiven nicht angemessen gehört, was zu einer massiven Verzerrung des demokratischen Prozesses führt. Das können wir nicht länger hinnehmen. Die Situation verdeutlicht, dass Gleichstellung kein Selbstläufer ist.“ Zum Themenbereich Sexismus und Gewalt an Frauen beschloss die GFMK eine „Entschließung aller Länder“. Für 2024 wird Baden-Württemberg den Vorsitz der Gleichstellungs- und Frauenminister*innenkonferenzübernehmen.
Auszug zu einigen Themen:
Gleichberechtigte Teilhabe
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist weiblich. Dennoch sind Frauen in gesellschaftlichen Entscheidungsebenen von Wirtschaft, Medien, Wissenschaft und Kultur nach wie vor unterrepräsentiert. Besonders zeigt sich dies in Parlamenten und politischen Ämtern auf allen Ebenen. Noch nie gab es ein Parlament in Deutschland, das annähernd paritätisch mit Frauen und Männern besetzt war. Über 100 Jahre nach Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen liegt der Frauenanteil im Bundestag derzeit bei rund 35 Prozent. Auch in den Landesparlamenten und kommunalen Vertretungen haben Frauen durchschnittlich nur rund ein Drittel der Mandate inne. Weniger als jedes zehnte Rathaus wird von einer Bürgermeisterin geführt und in lediglich 33 der 294 deutschen Landkreise (knapp neun Prozent) standen 2021 Landrätinnen an der Verwaltungsspitze.
Schutz vor Gewalt
Mit mehreren Beschlüssen will die GFMK Frauen und ihre Kinder vor häuslicher und sexualisierter Gewalt besser schützen:
Ausbau von Frauenhäusern
Die Konferenz spricht sich für eine Verlängerung des Bundesinvestitionsprogramms „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ aus. Mit diesem Programm fördert die Bundesregierung von 2020 bis 2024 den baulichen Ausbau von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen. Es ist eine wichtige Maßnahme zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland. Die GFMK weist darauf hin, dass der Bedarf an Investitionsmitteln bei den Einrichtungen des Hilfesystems weiter hoch ist. Sie fordert die Bundesregierung daher auf, das Bundesinvestitionsprogramm über 2024 hinaus fortzuführen und in den Bundeshaushalten angemessene Mittel für die Förderung investiver Maßnahmen zum Um-, Aus- und Neubau sowie zur Sanierung der Hilfseinrichtungen vorzusehen.
Verbesserung des Gewaltschutzes bei geschlechtsspezifischer digitaler Gewalt im sozialen Nahraum
Digitale Gewalt und die damit einhergehenden Herausforderungen sind in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Während digitale Gewalt in Form von Haie Speech immer stärker in das öffentliche und wissenschaftliche Bewusstsein gerückt ist, wird dem Themenkomplex der digitalen Gewalt im sozialen Nahraum bisher deutlich weniger Beachtung geschenkt. Davon sind Frauen und insbesondere Mädchen betroffen. Die GFMK fordert die Bundesregierung auf, eine repräsentative, empirische Studie zu Gewalt gegen Frauen vorzulegen, in der digitale Gewalt im sozialen Nahraum explizit untersucht wird, um betroffene Frauen in Zukunft besser unterstützen und wirkungsvolle Präventionsmaßnahmen entwickeln zu können.
Absicherung des Rechts auf Schutz und Beratung in Umsetzung der Istanbul-Konvention
Die Bundesregierung beabsichtigt in dieser Legislaturperiode, das Recht auf Schutz in geeigneten Einrichtungen sowie fachkundige Beratung bei geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und bei häuslicher Gewalt bundesrechtlich abzusichern. Die GFMK begrüßt dieses Vorhaben und bittet das Bundesfrauenministerium, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Die GFMK bekräftigt den Willen der Länder, in den kommenden Jahren das Hilfesystem für von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffene Frauen sowie von häuslicher Gewalt betroffene Personen und ihren Kindern so auszugestalten, dass jede Frau verlässlich unterstützt wird sowie alle weiteren Opfer häuslicher Gewalt Unterstützung erfahren können. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich an den notwendigen Kosten für den Ausbau der Einrichtungen sowie für den Verwaltungsaufwand im Hilfesystem angemessen zu beteiligen. Die GFMK sieht den Bund, die Länder und die Kommunen in der gemeinsamen Verantwortung für die dauerhaft auskömmliche Finanzierung einer tragfähigen Infrastruktur des Hilfesystems.
Entgeltgleichheit
Die Entgeltgleichheit von Frauen und Männer war erneut Thema bei der GFMK. Das Entgeltgleichheitsgebot – „Gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ – ist seit Jahrzehnten europa- und verfassungsrechtlich verankert und durch nationale Gesetze konkretisiert. Ungeachtet dessen beträgt die europa- und verfassungswidrige geschlechtsspezifische Entgeltlücke (sog. Gender Pay Gap) zwischen Frauen und Männern in Deutschland in der unbereinigten Erhebung im Jahr 2022 immer noch 18 Prozent. Mit diesem Ergebnis liegt Deutschland mit wenigen anderen Mitgliedstaaten deutlich über dem aktuellen EU-Durchschnitt von 13 Prozent.
-Die GFMK fordert geschlossenes Handeln von der Bundesregierung, den Ländern und den Kommunen sowie den kommunalen Spitzenverbänden, um die politische Teilhabe von Frauen durchzusetzen und die dafür notwendigen rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen zu schaffen.
- Die GFMK appelliert an alle Akteurinnen und Akteure – Parteien, Fraktionen, Parlamente, Verbände und Vereine – ihre Arbeits-, Kommunikations-, Beteiligungs- und Entscheidungsstrukturen geschlechtergerecht, zeitgemäß und demokratiefest auszurichten.
- Die GFMK bittet die Jugend- und Familienministerkonferenz der Länder (JFMK) und die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) um einen Bericht zu aktuellen und geplanten Maßnahmen geschlechtersensibler politischer Kinder- und Jugendarbeit im schulischen und außerschulischen Bereich.
- Die GFMK bittet die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) eine einheitliche Musterformulierung für die rechtliche Umsetzung hybrider bzw. digitaler Sitzungen, insbesondere in kommunalen Vertretungen, zu erarbeiten. Außerdem wird um Stellungnahme zu der Frage gebeten, wie der Schutz und die Prävention zum Schutz der ehrenamtlich tätigen Politikerinnen und Politiker vor (digitalen) Angriffen gestärkt werden können.
Quelle: fpd 834